Ganz emotional gegen emotional

Posting vom 16.10.2025

In das Mediendeutsch schleichen sich immer wieder Begriffe ein, die es bis dahin so nicht gegeben hat - oder zumindest nicht so verwendet worden sind. Kein Grund zur Klage, Sprache ist lebendig. Aber manchmal nervt es trotzdem.

Gutes Englisch, schlechtes Deutsch

Schon einmal aufgefallen? Wenn man sich durch die Artikel auch durchaus renommierter Medien liest und klickt, dann stößt man auf einige Formulierungen, die mittlerweile zwar gebräuchlich sind, früher aber unüblich waren. Das ist erst einmal nicht weiter schlimm, aber es gibt doch Beispiele, die mir ganz persönlich auf den Wecker gehen. Und nein, um die vom Wahnsinn befeuerte Debatte um Gendern geht es nicht.

Ein solcher Fall sind Anglizismen, die einfach überflüssig sind (und damit meine ich nicht das durch und durch deutsche “Handy”), bei Jahresangaben zum Beispiel. Es ist völlig korrektes Englisch, Ereignisse “in 2025” anzusiedeln, aber in Deutsch hat die Präposition nichts verloren: Ich bin 1964 geboren worden, nicht “in 1964”. Das etwas Sinn “macht” - gelitten darum, das wird man wohl genauso wenig los wie “Standart” in dieser Schreibweise.

Standard-Schlamperei

Man muss gar nicht auf Fremdsprachen schauen, um Schlampereien im Nachrichtenschreib zu finden. So ist es in Polizeimeldungen einer großén Nachrichtenagentur gang und gäbe, dass bei Unfällen Autos gegen Leitplanken/Mauern/Autos/Menschen “krachen” oder “knallen”. Soll wohl irgendiwe fluffiger klingen, als “prallen” oder “stoßen”, hat aber für mein unmaßgebliches Sprachempfinden in einem nachrichtlichen Text einfach nichts verloren.

Gut, zugegeben: Ich kultiviere auch einige sprachliche Marotten, aber mich mach es kirre, wenn ein Unfall “in der Keplerstraße” stattgefunden hat. Wahrscheinlich war es eher “auf” der Keplerstraße. Ich wohne da zufällig, und zwar “an der Keplerstraße” und konkret im Haus “Keplerstraße 3”. Aber die Arbeiten an den Fernwärmeleitungen haben tatsächlich “in” der Keplerstraße stattgefunden. Nur so am Rande. Oder darunter.

Traurig oder glücklich

Wirklich ratlos aber machen mich einige Null-Begriffe, die für alles oder nichts stehen können und in den vergangenen Jahren in Mode gekommen sind. Dass inzwischen jede Software, die mehr als zwei bedingte Abfragen im Code hat, als Musterbeispiel künstlicher Intelligenz gelten soll - gelitten darum. Das Zeug muss verkauft werden, also ist Marketing Teil des Geschäfts, und das geht auch in Ordnung.

Aber ein Wort nervt mich mittlerweile wirklich: emotional. Das wird so oft und wahllos verwendet, dass es jegliche Aussagekraft verloren hat (wenn es denn jemals eine gehabt haben sollte). Das wird gleichermaßen zur Beschreibung der Rückkehr israelischer Geiseln wie auch für Szenen eines Fußballspiels verwendet, als ob man da wirklich in den gleichen sprachlichen Topf werfen sollte.

Ich habe den Eindruck, dass “emotional” geschrieben wird, wenn man sich um die passende Beschreibung der Gefühle drücken will. Es ist nicht mehr bewegend, anrührend, traurig und mitreißend, es ist eben emotional. Beispiel aus der eigenen Erfahrung: Ich habe in vergleichsweise kurzer Zeit die Geburt meiner Tochter und den Tod meiner Mutter erlebt. Ganz sicher: “Emotional” waren beide Ereignisse, aber die Emotionen höchst unterschiedlich. Warum schreibt’s denn keiner mehr so?